Die Panels

Gegenöffentlichkeit damals und heute. Auf den Panels wollen wir wissen, was bleibt von Radio 100, was ist daraus hervorgegangen, was geht heute darüber hinaus? Gibt es ein Zukunft für Freie Radios oder ist das neue Radio 100 eine Sammlung von Podcasts?

Freitag, 03.03.2017
15:00 Das Radio 100 Archiv: Wie lebt Mediengeschichte weiter?
16:00 Audiovolution – wer siegen will, muss hören
17:00 Eldoradio – Queer im Radio, bevor es den Begriff ”queer“ überhaupt gab
18:00 Frauen mit Sendungsbewusstsein: Drei Generationen frauenpolitisches Radio – Zeitpunkte, Dissonanzen, Missy Radio, Sissi FM
19:00
im Zelt
Vernissage der Ausstellung: Hans Hütt im Gespräch mit Lutz Hachmeister
Samstag, 04.03.2017
14:00 Freie Radios in Berlin: wann gibt es wieder eine Vollfrequenz?
15:00 Freie Radios – Radios Comunitarias – Internationale Ressource sozialer Bewegungen
16:00 Radio 100-Opa und YouTube-Enkel: Hans Hütt im Gespräch mit Tilo Jung
17:00 Propaganda und Gegenöffentlichkeit. Roland Jahn (Radio Glasnost) im Gespräch mit Markus Reuter (Netzpolitik.org) über die Freiheit der Information
18:00 Woran ist Radio 100 gescheitert?

 

Das Radio 100 Archiv: Wie lebt Mediengeschichte weiter?

Freitag, 03.03.2017, 15 Uhr

Wenn alles vorbei ist und der Staub sich gelegt hat, stellt sich die Frage: Was bleibt für die Nachwelt? Was war Radio 100 im Rückblick aus dreißig Jahren Abstand? Dank der tatkräftigen Unterstützung durch das Deutsche Rundfunkarchiv haben wir in der Robert-Havemann Gesellschaft eine nachhaltige Bleibe für das Radio 100 Archiv gefunden. Im Archiv der DDR-Opposition befinden sich bereits die Sendungen und andere Sammlungsstücke von Radio Glasnost. Nun werden alle Radio 100 Materialien hier gesammelt. Auch mit Institutionen, die Rundfunkgeschichte erforschen, wie dem Hans-Bredow-Institut haben wir Gespräche aufgenommen.
Was macht eine Archivarin? Wie werden Kartons mit Tonbändern, Kassetten, Sendungsmanuskripten, Programmheften, Protokollen von Redaktions- und GmbH-Sitzungen usw. usw. erfasst, abgelegt und schließlich in einem ‚Findbuch‘ erschlossen? Wer arbeitet mit Archiven? Wie werden sie für die Zeitgeschichts- und Medienforschung, Geschichte der Protestbewegungen, Musikgeschichte usw. erschlossen? Wie können Archive für Anschlusskreativität genutzt werden? Kurz: Wie können Archive lebendig werden, relevant für die Gegenwart, für Erkenntnisgewinn aus unserer Geschichte und kreative Auseinandersetzung mit ihr?

Wir möchten alle Hörer*innen von Radio 100 einladen, sich am Aufbau des Radio 100 Archivs zu beteiligen. Schaut in Euren Kellern und Dachböden, was sich noch an thematisch relevanten Dingen finden lässt. Kassettenmitschnitte von Sendungen, Programmhefte, Zeitungsausschnitte, alles ist wertvoll. Während des Festivals wird es im Columbia Theater die Möglichkeit geben, Archivalien abzugeben. Ihr könnt Euch auch gern direkt an das Archiv der DDR-Opposition in der Robert-Havemann-Gesellschaft wenden, wo der Bestand Radio 100 archiviert wird. Eine Übergabe könnt Ihr vereinbaren per Email an Rebecca Hernandez Garcia.

Gäste:

Moderation: Frank Holzkamp und Volker Grassmuck

 

Audiovolution – wer siegen will, muss hören

Freitag, 03.03.2017, 16 Uhr

Gegenöffentlichkeit war noch nie ganz einfach zu organisieren. Am Anfang von Radio100 stand der Kampf um eine Frequenz – und der Erfolg war bekanntlich anfangs nur eine Teilfrequenz. Die technische Revolution, die bei Radio100 schon mit Mailbox-Experimenten und Digital-Kartuschen begann, hat längst zu einer „Demokratisierung“ der Produktionsmittel geführt. Heute entsteht rund um Black Lives Matter und Anti-Trump eine ganz neue Bewegung via Podcast. Welche Rolle spielt das Hören in politischen und sozialen Kämpfen heute? Wie abhängig sind wir von Facebook & Co? Und ist alles Netz oder sollten wir immer einen UKW-Sender auf dem Dachboden haben, um wirklich unabhängig zu sein?
Gäste:

Moderation: Jan Lerch (Radio100 / RBB / MotorFM)

 

Eldoradio – Queer im Radio, bevor es den Begriff ”queer“ überhaupt gab

Freitag, 03.03.2017, 17 Uhr

1984 startete die Initiative für das erste lesbisch-schwule Radioprogramm Deutschlands. Im August 1985 ging Eldoradio im Berliner Kabelpilotprojekt auf Sendung im Rahmen des Senders „Hör 1″. Es war eine zunächst rein schwule Gruppe, die ersten lesbischen Mitarbeiterinnen Angela Gobelin und Manuela Kay stießen 1986 dazu. Die Eldoradio-Redaktion war eine der Gruppen, die sich gemeinsam auf die UKW-Frequenz 100,6 MHz bewarben, um Radio 100 zu gründen.

Als Radio 100 1987 auf Sendung ging, war die Aids-Krise gerade in West-Berlin angekommen und die Infos darüber sehr knapp. Das Thema Aids war stets bestimmend und präsent in den Sendungen von Eldoradio. Viele Aktivisten und Aktivistinnen und Gründer von Aids-Hilfen kamen hier zu Wort und konnten in einzigartiger Weise auch Infos zum Thema Aids und Safer Sex in den Ostteil der Stadt via Äther transportieren.

Eldoradio war einer der ersten erfolgreichen Gruppen in denen Schwule, Lesben und das was heute als LGBT bezeichnet wird, zusammengearbeitet haben. Eldoradio sendete zunächst einmal wöchentlich 2 Stunden, später 2 Mal wöchentlich 2 Stunden. Auch hatte Eldoradio einmal monatlich das weltweit wohl einzigartige Format einer Coming-out-Sendung für junge Leute, die im Rahmen der Mittagsschiene bei Radio 100 lief.

Die Gäste können vergleichen wie sich zum Beispiel die Aids-Krise heute, 30 Jahre später, massiv verändert darstellt, wie sich die schwule und lesbische Szene Berlins nach dem Mauerfall verändert hat und welchen gesellschaftlichen Wandel es in Bezug auf LGBT-Lebensweisen seit den Zeiten von Eldoradio bis heute gab.

Gäste:

Moderation: Manuela Kay (Eldoradio, Radio 100)

 

Frauen mit Sendungsbewusstsein: Drei Generationen frauenpolitisches Radio – Zeitpunkte, Dissonanzen, Missy Radio, Sissi FM

Freitag, 03.03.2017, 18 Uhr

Radiomacher*innen diskutieren über ihr Selbstverständnis. Wo gibt es Parallelen und was sind die Unterschiede? Welche Entwicklung hat der Feminismus genommen, und reden wir wirklich immer noch über die gleichen Themen?

Gäste:

  • Gesine Strempel (Zeitpunkte SFB/RBB – jeden Samstag und Sonntag um 17 Uhr auf Kulturradio RBB 92,4 MHz)
  • Marion Fabian (Dissonanzen – feministische Frauensendung auf Radio 100. Wochentäglich montags bis freitags vom 1. März 1987 bis 28. Februar 1991)
  • Ulrike Ertl (Sissi FM – queerfeministisches Stadtmagazin. Jeden ersten und dritten Sonntag im Monat live um 23 Uhr auf reboot.fm 88,4 MHz)
  • Julia Bonn und Annalena Wenzel (Missy Radio – feministischer Talk. Einmal monatlich sonntags um 19.30 Uhr auf reboot.fm 88,4 MHz)

Moderation: Judith Fiedler (Dissonanzen – Radio 100)

 

Vernissage der Ausstellung: Hans Hütt im Gespräch mit Lutz Hachmeister

Freitag, 03.03.2017, 19 Uhr im Zelt

Damals war die Lage übersichtlich. Es gab eine Öffentlichkeit mit 3 TV-Sendern, 4 Tageszeitungen und 1 Nachrichtenmagazin. Und es gab eine Gegenöffentlichkeit. Die verbreitete unterbliebene Nachrichten. Heute gibt es im Internet eine unüberschaubare Fülle von Stimmen. Und es gibt eine Fragmentierung von Öffentlichkeit, Filterblasen und Polarisierung. Würde Radio 100 heute gegründet, wäre es ein Webradio oder Podcast? Oder grade nicht? Das gute alte Antennenradio erfreut sich auch unter jungen Medienaktivisten aus aller Welt weiterhin großer Beliebtheit, wie das Berliner Gemeinschaftsprojekt kotti.fm (September 2016 auf 99,1 MHz) zeigte.

Lutz Hachmeister – Hochschullehrer für Journalistik, Buchautor, Filmmemacher, ehemaliger langjähriger Leiter des Grimme-Instituts und Leiter des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik – war damals Medienredakteur beim Tagesspiegel. Er hat Radio 100 von Beginn an begleitet, war bei jeder Pressekonferenz des Senders dabei und hat stets die präzisesten Fragen gestellt.

Zwiegespräch:

 

Freie Radios in Berlin: wann gibt es wieder eine Vollfrequenz?

Samstag, 04.03.2017, 14 Uhr

Radio 100 war nur möglich durch die Einführung des dualen Systems. Es hatte auch direkte Vorläufer wie Radio Gaga, Eldoradio, das schon im August 1985 im Berliner Kabelpilotprojekt auf Sendung ging, und den Musiksender X-Radio von Addy Gärtner. Es war zugleich der erste Privatfunker, der in Berlin auf den Äther ging und eine learning-by-doing Bürger- und Ausbildungskanal avant la lettre.

1995 gab es die ersten Veranstaltungen nach der Wiedervereiterung mit der Forderung nach einer UKW-Frequenz für Freie Radios in Berlin. Im selben Jahr gründete sich der PI Radio eV. In den folgenden Jahren entstanden verschiedene Radioinitiativen mit dem Ziel, ein Freies UKW-Radio für Berlin zu schaffen. Dazu lief 2002 eine Radiokampagne. 2010 richtet die mabb den nicht kommerziellen Sendeverbund 88vier ein. Auf dieser Frequenz senden seitdem verschieden Radio-Initiativen.

Siehe Charta des Bundesverbands Freier Radios.

Gäste:

  • Jörg Depta – Pi Radio, Bundesverband Freier Radios
  • Niki Matita – Pi radio, colaboradio, boardmember von AMARC (Weltverband der Freien Radios)
  • Frank Holzkamp, Radio 100

Moderation: Andreas Baier

 

Internationale Radiokontakte – Vernetzung – Spannende Stimmen aus dem Süden

Samstag, 04.03.2017, 15 Uhr

Die Stimmen der freien Radios aus dem Süden waren für Radio 100 eine wichtige Informationsquelle und Teil der internationalen Gegenöffentlichkeit: Das Beispiel “Radio Venceremos”und “Radio Farabundo Marti”, die Sender der Befreiungsbewegung FMLN in El Salvador. Was war – was ist daraus geworden? Ein kurzer Rückblick und eine Einschätzung:

  • Ringo Gottsleben (Aktivist der Solibewegung El Salvador/Nicaragua).

Soliprojekte, Zusammenarbeit, Vernetzung: Soliprojekt mit Radio Panamericana in Montevideo. 1988 gründete sich AMARC (Weltverband der Comunity Radios) als internationale Nicht-Regierungsorganisation in Managua/ Nicaragua, Radio 100 war dabei. InterKonneXiones und andere Kooperatiosnprojekte mit Radios in Lateinamerika. Was war – was ist daraus entstanden?

  • Mit Felix Forster (ex RDL, AMARC, Miterfinder von InterKonneXiones) und Jürgen Moritz (ex Radio 100 – Kontinente/Checkpoint Redaktion).

El Sur tambien existe: Innovative Radios aus dem Süden: Radio LA COLIFATA stellt sich vor, das erste Radio weltweit, gemacht von PatientInnen aus der Psychiatrie im Hospital Borda in Buenos Aires.

  • Alfredo Olivera, Gründer von Radio LA COLIFATA erzählt die Geschichte und lässt uns dieses ganz besondere Radio hören, sehen und fühlen. Heute ist LA COLIFATA weltweit vernetzt, es gibt mehrere Radios oder Radioprogramme mit ähnlichem Profil in zahlreichen Ländern. LA COLIFATA übeträgt dieses Panel übrigens via Livestream in Buenos Aires.

Initiativen und Projekte der Vernetzung heute – Latin@s und /oder MigrantInnen im Berliner Äther?

  • Ute Löhning (Nachrichtenpool Lateinamerika mit Poonal, Radio onda, radio matraca)

Moderation: Jürgen Moritz

 

Radio 100-Opa und YouTube-Enkel: Hans Hütt im Gespräch mit Tilo Jung

Samstag, 04.03.2017, 16 Uhr

Tilo Jung, freier Chefredakteur praktisch seit seiner Geburt, ist Erfinder der YouTube-Show „Jung & Naiv – Politik für Desinteressierte“. Seit dem Start Anfang 2013 stehen Ende Januar 293 Folgen mit zum Teil sehr langen Interviews online. Mit Fundraising durch sein Publikum reiste Tilo im März 2014 in die Ukraine, während des Europawahlkampfs durch mehrere europäische Länder und während des Krieges 2014 auch nach Israel.

Hans Hütt, Mitgründer von Radio 100 und Erfinder des Nachtflugs, hat ihn 2013/14 als Dramaturg und Mentor unterstützt.

Im Gespräch untersuchen sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Produktionsbedingungen von Radio 100 und heutigen YouTube-Produktionen.

Zwiegespräch: Hans Hütt und Tilo Jung

 

Propaganda und Gegenöffentlichkeit. Roland Jahn (Radio Glasnost) im Gespräch mit Markus Reuter (Netzpolitik.org) über die Freiheit der Information

Samstag, 04.03.2017, 17 Uhr

„Fake News“ gab es schon immer. Einer besonderen Beliebtheit erfreuten sie sich in der DDR. Allerdings schenkte kaum jemand den Berichten im „Neuen Deutschland“ über die 150-prozentige Erfüllung eines Plansolls Glauben. Polit-Propaganda über die Gesellschaft lehrte die Menschen, die Botschaften zu ignorieren. Massive Überwachung durch die Stasi verhinderte den freien Diskurs. Aber das Verschweigen der Realitäten führte zu eigenen Medien, in der DDR und aus dem Westen, wie Radio Glasnost, von Juli 1987 bis November 1989 einmal monatlich auf Radio 100. Es war der Versuch, gegen die kontrollierte öffentliche Meinung und die verschwiegene Realität mit dem Medium Radio Fakten und offene Diskussion zu setzen.

Damals ist Heute, nur umgekehrt. Die heutige Krise der pluralistischen, öffentlichen Kommunikation gefährdet die Grundlage für die persönliche und kollektive Meinungsbildung: Lügenpresse-Vorwürfe, Social Bots, Troll-Armeen, Fake News als schneller Gelderwerb und Propaganda-Kampagnen, die das Abstimmungsverhalten ganzer Bevölkerungen beeinflussen. All dies führt zu einer Erosion von Vertrauen in Medien und die Institutionen des demokratischen Gemeinwesens. „Postfaktisch“ ist das Wort des Jahres 2016 und „post-truth“ in der englischen Sprache. Orwell’sche Zeiten.

Die Medien der „alternativen Wirklichkeiten“ explodieren: Junge Freiheit, Compact, RT Deutschland, KenFM, Sezession, PI-News, Bundesdeutsche Zeitung, Klagemauer.tv usw. Wo entstehen heute emanzipatorische, aufklärerische Formen der Gegenöffentlichkeit? Was können uns Archive wie das Stasi-Unterlagen-Archiv, das Archiv der DDR-Opposition oder das Radio 100 Archiv an Hilfestellung bieten?

Siehe auch Pageflow-Dokumentation zu Radio Glasnost.
Höre auch Radio Glasnost – Stimme der klugen DDR-Opposition, Talk im Stadtmuseum mit Dieter Rulff, im Rahmen des Radiokunst-Festivals Radiorevolten, Oktober 2016 in Halle (Saale)

Gäste:

Moderation: Dagmar Hovestädt, Journalistin

Woran ist Radio 100 gescheitert?

Samstag, 04.03.2017, 18 Uhr

Das Scheitern ist Radio 100 gelungen. Gelungen ist ohne Frage das Learning-by-Doing, das vielen den Start ermöglicht hat, die bis heute im Radio arbeiten. Doch die Tage des Radios waren kurz. Alle – Hörer*innen, Redaktionen, Kabelrat – wollten seinen Fortbestand. Warum also ging es zuende? Radio 100 ist Vorbild für viele Freien Radios. Radio Z in Nürnberg wurde zeitgleich gegründet und besteht bis heute – werbefrei – getragen durch die Hörer-Community“. Was ist ihnen gelungen, was Radio 100 nicht geschafft hat?

Gäste:

  • Maggie Bernreuther (Radio Z)
  • Robert Skuppin (ex Radio 100, Programmchef bei Radio Eins)
  • Katrin Pfister-Rosenzweig (ex Radio Z, ex Radio 100, ex ARD-Fernsehen, Mediencoach)
  • Werner Voigt (ex Radio 100, ex InfoRadio)

Moderation: Annette Schäfer (ex Radio 100)