Kapitel 3: Die Gesellschaft – Eigensinn schrieb Geschichte

Bevor ich das nächste Kapitel der Ausstellung aufschlage, hier ein paar Bemerkungen zur Auswahl der Exponate. Ich habe aus im wesentlichen sechs Quellen Archivalien aus der Geschichte von Radio 100 erhalten. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass dieses Material nicht vollständig war. Allerdings sind die Dokumente dazu geeignet, die diversen Textsorten von ersten Ideen über die Gründung bis hin zur Arbeit der Redaktion an Manuskripten, Sendeablaufplänen, VG Wort- und GEMA-Anmeldungen abzubilden. Sie stimmen einen Chor des Eigensinns an, der das Programm und die Geschichte des Radios charakterisiert hat. Hier folgt nun aus der langen Reihe von Gesellschaftsverträgen einer, der im Jahr nach Sendebeginn notariell beurkundet worden ist. Dieser Gesellschaftervertrag liest sich in einzelnen Abschnitten wie ein Zerrüttungsdokument. In die Fußstapfen von Gründungsgesellschaftern treten neue Partner ein, die sich zugleich mit ihrer Unterschrift unter den Vertrag der sofortigen Vollstreckung mit ihrem Privatvermögen unterwerfen. Der Grund dafür: Altgesellschafter hatten es nicht einmal fertig gebracht, ihr Eigenkapital vollständig einzuzahlen.

Ein anderer Gesellschafter, der Linksrheinische Rundfunk, eine Tochter der Medienholding der SPD, hatte es darauf angelegt, die Programmmacher und die Mitgesellschafter durch Dauerstreit zu zermürben. In den folgenden Dokumenten gewinnt man einen Eindruck davon. Hier nun also der Gesellschaftsvertrag aus dem Frühsommer 1988.

Die folgende Übersicht zeigt die Anteile der Gesellschafter zum Zeitpunkt des Sendebeginns im März 1987. Die Anteile geben keine Auskunft darüber, wie das Programm und seine Finanzierung tatsächlich bestimmt wurden. Deshalb könnte man über die Geschichte von Radio 100 sagen, dass es nicht wegen, sondern zu weiten Teilen trotz seiner Gesellschafter zustande gekommen ist. Eine sich sehr schnell etablierende Basiskultur verschaffte dem Programm den Eigensinn, ohne den es nicht lange überlebensfähig gewesen wäre.

Ein Gesellschafter, der anfangs zum Kreis des NRB (Neues Radio Berlin) gehörte, war Eldoradio, das erste schwul-lesbische Radioprogramm. Eldoradio ist ausweislich der von Manuela Kay mir überlassenen Dokumente ein durch und durch aufgeräumter und übersichtlich strukturierter Gesellschafter gewesen, worüber auch dieser Überblick Auskunft gibt, der Eldoradios Rechtsform der Genossenschaft erläutert.