Interview mit dem Netzkritiker Geert Lovink über die Zukunft des Radioaktivismus
Radikal unabhängig zu sein vom Staat und vom Markt – das war die Kernidee der Freien Radios. Nur so könne Pressefreiheit realisiert und die Medien der Kontrolle der Herrschenden entzogen werden. Wir sprachen mit Geert Lovink über Herausforderungen, vor denen das Freie Radiomachen als medienaktivistische Form heute steht.
iz3w: Wie unabhängig sind Freie Radios heute, wo stoßen sie an Grenzen und welche Kämpfe haben sie zu führen?
Geert Lovink: Der Kampf um freie Frequenzen auf UKW (FM) wird nach wie vor geführt. Weil er sehr schwierig und oft erfolglos ist, wurde er so manches Mal von Freien Radios eingestellt. Das Podcasten im Netz drängte sich vielen als schnelle Alternative auf. Es stellt jedoch eher ein Paralleluniversum dar und hat das Radio als Medium im Grunde nicht verändert. Ideal – im Sinne freier Kommunikation – wäre die sofortige bedingungslose Freigabe aller FM-Frequenzen. Diese Utopie hat sich in einigen wenigen Fällen sogar kurzzeitig realisiert, konnte sich aber nirgendwo dauerhaft durchsetzten. Ich glaube, dass sich viel bewegen kann, wenn FM-Kanäle nicht mehr so restriktiv reguliert werden. Das Problem ist, dass FM vielleicht erst freigegeben wird, wenn die Technologie selbst obsolet geworden ist und niemand mehr ein klassisches Radio besitzt. Obwohl das Digital Audio Broadcasting (DAB) – ein Verfahren zur Übertragung von digitalen Rundfunksignalen – und das neuere Codierungsverfahren DAB+ schon uralt sind, weiß niemand so richtig, ob Freie Radios davon profitieren werden. Mein Fazit: Wir sollten die Anarchie nicht fürchten und die Medienfreiheit gemeinsam gestalten, nicht nur als Recht, sondern als Praxis. more „Geert Lovink: „Es geht ums Ganze, den Weltgeist!““