Die Sendung „Nikos Sauerbraten“ ist entstanden aus der Notwendigkeit heraus, essen zu müssen. In den Niederlanden gab es Piratensender in Hülle und Fülle. In meinem derzeitigen Wohnort ´s-Hertogenbosch gab es neben den hausgemachten Schlagersendern in niederländischer Ausgabe auch politisch motivierte Radiosender. Ich habe dort unter den Namen „Radio Netnet“ einen Abend pro Woche mein kulturelles- und kulturpolitisches Programm präsentiert. Auch hier gab es eine Auseinandersetzungen um Fragen der politischen Korrektheit, obwohl diese damals im Vergleich zu Deutschland, bzw. Berlin eher als Light Version zu bezeichnen waren. Es gab kulturelle Unterschiede die für mich als Niederländer unverständlich waren, wie die „–Innen“ oder auch nicht „–Innen“-Debatte und vor allen Dingen die Beharrlichkeit, mit der diese Debatte geführt wurde. Die Sprache damit zu belasten habe ich nie verstanden. Für mich war es wichtiger, wirkliche Geschlechtergleichheit zu erkämpfen und die Debatten in Berlin um die politisch korrekte Wortfindung fand ich nebensächlich. Der Erhalt der Sprache war mir genauso wichtig, wie gleicher Lohn für gleiche Arbeit oder Gesetze, die Diskriminierung aus welchem Grund auch immer verbieten würden.
Unser Sender war stationiert in einem besetzten ehemaligen Krankenhaus und wurde gut bewacht mit damals fortschrittlicher Technik. Als ich eine 24-Stunden-Sendung machen wollte, worin Zuhörer mit dem Radio in der Hand einen Rundgang durch die Museen, Ausstellungsräume und Bühnen der Stadt machen konnten, gab es für mich die Schwierigkeit, während der Sendung auch essen zu müssen. Obwohl die Stadt mich unterstützte, der Senat, samt Stadtrat öffentlich und schriftlich zusagten, den Sender in Ruhe zu lassen, trauten die Kollegen dem Braten nicht. Dadurch musste ich diese Sendung alleine machen, moderieren, die Technik bedienen und die, um die es hier eigentlich ging, draußen lassen und über Telefonleitungen ins Studio einmischen. Dadurch konnte ich mich nicht vom Mikrofon wegbewegen. Aus dieser Situation wollte ich etwas Schönes machen und kam auf die Idee das Kochen in die Sendung zu integrieren. Ich bat einen Markthändler, meinen Einkauf live zusammen mit mir mittels Telefon und Radio zu erledigen. Die Hörer konnten auf dem Marktplatz dabei sein, beim Händler den Einkauf tätigen, um abends zusammen am Radio zu kochen. Es war der 30. April, der damalige Königinnentag, der Feiertag, an dem in ganz Holland alle Leute auf der Straße verkaufen können, was sie wollen. Am Tag danach, während ich auf Sendung war, änderte sich das Datum in den 1. Mai, weswegen ich dann auch ein passendes Gericht gebastelt hatte, ein orange gefärbtes Essen in Form von Hammer und Sichel. Somit erlebte das Radiokochen schon früh in den Achtzigern seine Premiere, die bei Radio 100 seine Fortsetzung fand.
Die Sendung hatte entweder Gäste aus dem kulturellen Erdraum oder kannte Themen um einzelne Lebewesen, die im Topf landeten. Als solche war sie erfolgreich und wurde zur Blaupause sämtlicher Fernseh- und Radiosendungen in den post-Radio 100 Jahren.
Niko Tenten,
Macher und Koch der Sendung „Nikos Sauerbraten“
1989 bis 1991
Im 24-Stunden-Programm von Radio 100 wurde jeden Samstag von 10:30 bis 11:05 eingekauft und von 19 bis 20 Uhr gekocht.